„Elternbegleitung? Ich begleite doch auch Kinder!“
Elternbegleitung als ergänzendes Angebot in der Familienberatung*
Idee und Ziel
Unsere Erziehungs- und Familienberatungsstelle hatte das Glück, gemeinsam mit der AKF das zeitlich befristete Modellprojekt „Elternbegleitung als erweitertes Angebot in der Erziehungs- und Familienberatung“ durchzuführen. Dabei teilten sich die beiden Einrichtungen die Honorarkosten der Elternbegleiterin.
Das Ziel dabei war, ein Finanzierungsmodell auszuprobieren, das einer qualifizierten Elternbegleiterin die Chance gibt, ihre Kenntnisse umzusetzen und gleichzeitig das Angebot in unserer Beratungsstelle zur Unterstützung der Eltern zu erweitern. Und dies in einem Rahmen, der über die Möglichkeiten einer Beratungsstelle hinausgeht. Ziel war auch, zu überprüfen, ob der Einsatz eines_r Elternbegleiters_in überhaupt eine sinnvolle Ergänzung für das Angebot unserer Beratungsstelle darstellt und die Mitarbeit eines_r Elternbegleiters_in positive Auswirkungen für die Familien hat.
Die Beratungsstelle
Üblicherweise kommen Eltern und Familien zu uns in die Beratungsstelle, und nur in Ausnahmesituationen arbeiten wir auch aufsuchend, das heißt direkt im familiären Umfeld. Es gibt aber durchaus Situationen in Familien, in denen eine tatsächliche Begleitung der Eltern oder auch Kinder sehr hilfreich ist. Hierfür haben wir das Modellprojekt entwickelt.
Unsere Beratungsstelle liegt im Berliner Bezirk Mitte. Die soziale Lage der Familien ist hier sehr durchmischt. Der Bezirk weist neben sozialen Brennpunkten auch gut bürgerliche Wohnbereiche und luxussanierten Wohnungen und Häuser auf. Zu der finanziellen Durchmischung kommt auch noch eine kulturelle, da hier Familien unterschiedlichster Kulturen, Nationalitäten und Religionen wohnen. Daher bietet unsere Beratungsstelle auch Beratungen in verschiedenen Sprachen an.
Diese Spannweite spiegelte sich auch in den Begleitungen unserer Elternbegleiterin wieder. Von Migrantenfamilien, die kaum deutsch sprachen und mit wenig Familieneinkommen klarkommen müssen, bis hin zu finanziell gut gestellten, intellektuellen Familien, begleitete sie Eltern in den unterschiedlichsten Situationen.
Fallbeispiel 1
Eine Mutter, die ihren Sohn auf eine bestimmte Schule einschulen wollte, bekam dafür eine Absage und erfuhr, dass ihr Sohn nun in die erste Klasse einer weiter entfernten Grundschule gehen sollte. Für den Jungen hätte dies einen längeren Fahrweg mit öffentlichen Verkehrsmitteln mit mehrmaligem Umsteigen bedeutet. Sie selber hatte mehrere Kinder, auch noch zwei weitere Vorschulkinder. In unsere Beratungsstelle kam sie einen Tag vor Ablauf der Widerspruchsfrist und wusste nicht, was sie nun tun sollte. Die Elternbegleiterin wurde eingeschaltet, die sich dann am nächsten Tag (einem Freitag) gemeinsam mit der Mutter (fristgerecht) auf den Weg zu den Ämtern machte: Kinder- und Jugendgesundheitsdienst, Schulamt usw. Sehr hilfreich waren hier ihre Kenntnisse des Berliner Bildungssystems und die einfühlsame Vermittlung zwischen den Sachbearbeiter_innen und der Mutter, die nur wenige Deutschkenntnisse hatte.
So gelang es schließlich, den Jungen in einer Schule unterzubringen, die in Laufnähe zu seinem Zuhause lag und ihm und seiner Familie viel zusätzlichen Ärger und Stress ersparte.
Fallbeispiel 2
In einem ähnlichen Fall konnte die Elternbegleiterin eine Mutter unterstützen, einen Kitaplatz für ihr jüngstes Kind zu beantragen. In diesem Fall stellte die Elternbegleitung auch ein präventives Angebot dar. Die negative Folgen einer fehlenden Kinderbetreuung für die Familie, eine erhöhter Stresspegel, eine Unterforderung der Kinder, die hohe zusätzliche Belastungen für die Familie u.a. mehr konnten so vermieden und eine positive Familienatmosphäre unterstützt werden.
Gerade für Familien, die mit dem deutschen Bildungssystem noch nicht so vertraut oder relativ neu in Deutschland sind, ist diese direkte Form der Hilfe durch die Elternbegleitung sehr unterstützend. Ohne eine Elternbegleitung wäre dies so kaum möglich gewesen.
Fallbeispiel 3
Anders gelagert waren die Fälle, in denen unsere Elternbegleiterin über eine Unterstützung der Kinder die Familiensituation entlasteten konnte. In diesem Zusammenhang stellte sie treffend fest:
„Elternbegleitung? Ich begleite doch auch Kinder!“.
Es handelte sich um Kinder, die in ihrer momentanen Schulsituation sehr unglücklich waren. Allein die Beratungsarbeit mit den Familien war zwar unterstützend, jedoch nicht ausreichend. Erst in gemeinsamen Gesprächen mit den Eltern, dem betroffenem Kind und jeweils mit der zuständigen Beraterin und der Elterbegleiterin wurde deutlich, dass eine Unterstützung direkt in der Schule für das jeweilige Kind nötig ist. So entstand ein Bild von dem, was die Kinder brauchten, und es wurde jeweils eine Art Stufenplan entwickelt.
- Das Kind beobachtet noch einmal genau die Situation
- Es spricht dann mit den Eltern und evtl. mit der Elternbegleiterin
- Die Eltern (und/oder die Elternbegleiterin in Absprache mit den Eltern) nehmen Kontakt zu der entsprechenden Lehrkraft auf
- Die Elternbegleiterin würde in der Schule hospitieren
- Alle Beteiligten (Eltern, Kind, Beraterin und Elternbegleiterin sowie Lehrkräfte) suchen gemeinsam nach Lösungsansätzen.
Spannend war hier zu beobachten, dass allein die Information, dass ein außenstehender Erwachsener das Kind in seinem jeweiligen Dilemma professionell begleiten würde – und das bis in den konkreten Schulalltag hinein – für die Kinder einen großen Unterschied machte. Schon das Kennenlernen der Elternbegleiterin und die Idee, dass diese als Fürsprecherin für das Kind oder als Vermittlerin auch mit der Lehrkraft sprechen würde, brachte für die Kinder eine sichtbare Veränderung ihrer Situation und wurde als sehr ermutigend empfunden.
Letztlich kam es in keinem Fall dazu, dass die Elternbegleiterin in die Schule gehen musste.
Erfahrungen
Drei weitere Aspekte waren aus unserer Sicht sehr hilfreich:
- Die Elternbegleiterin konnte unsere Räume für die Gespräche nutzen. Dies entlastete die familiäre Situation. Besonders in einem Fall, in dem die Eltern getrennt waren, stellten die Räume der Beratungsstelle einen neutralen Ort dar und ermöglichten es den Eltern, zusätzlich nicht zu viel von ihrem Privatleben offen zu legen.
- Das Angebot war absolut freiwillig und die Eltern mussten sich erst nach einem Kennenlern-Treffen in vertrauter Atmosphäre (unsere Beratungsstelle und die jeweilige Beraterin kannten sie ja schon) für oder gegen die Elternbegleiterin entscheiden. Allerdings „griffen“ alle gerne bei diesem Angebot zu. So wurde deutlich, dass die Erziehungs- und Familienverantwortung weiterhin bei den Eltern lag und es nur um eine gezielte, punktuelle Unterstützung auf freiwilliger Basis ging.
- Das Angebot der Elternbegleitung war eingebettet in beginnende oder laufende Beratungsprozesse mit den Eltern/Familien. Dies ermöglichte die zielgenaue Unterstützung, und die Elternbegleitung fand so in einem für die Klienten_innen geschützten und vertrauensvollen Rahmen statt. Hierfür war die gute Kooperation zwischen Elternbegleiterin und Beraterin eine Grundvoraussetzung.
Fazit
Letztlich bewerteten alle Beteiligte das Angebot positiv und es stellte eine sinnvolle Ergänzung zu unserer Beratungstätigkeit dar. Darüber hinaus scheint es auch für andere Beratungsstellen interessant zu sein. Dies wurde auf einer Fachtagung der AKF für Elternbegleiterinnen in Berlin deutlich, an der mehrere Mitarbeiter_innen von Beratungsstellen teilnahmen.
Berlin, 29. Januar 2015
Sabine M. Schäfer
Erziehungs- und Familienberatung Mitte
Caritasverband für das Erzbistum Berlin e.V.
*Ein Modellprojekt der Erziehungs- und Familienberatungsstelle des Caritasverbandes in Berlin-Mitte und der AKF – Arbeitsgemeinschaft für katholische Familienbildung e. V.